Die Telekom hat die Brisanz rund um das Thema Netzneutralität nicht verstanden
Am 22. April 2013 hat die Telekom auf Ihrem Blog die neuen, ab dem 02. Mai gültigen Tarife für die Internet- und Festnetzanschlüsse bekannt gegeben. Diese neuen Tarife beinhalten Begrenzungen beim Download von Daten. Ist das maximale Download-Volumen erreicht, so wird die Geschwindigkeit des Anschlusses auf 384 Kbit/s reduziert. Der Vollständigkeit halber hier noch einmal die die Auflistung aller Volumina-Begrenzungen für die jeweiligen Telekom-Verträge:
- Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 16 Mbit/s: 75 GB
- Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Mbit/s: 200 GB
- Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s: 300 GB
- Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 200 Mbit/s: 400 GB
Was bedeutet eigentlich Netzneutralität?
Um jetzt den andauernden und vollkommen berechtigten Shitstorm zu verstehen, muss man sich erst einmal darüber klar werden, was die Netzneutralität besagt: Gleiches Recht für alle Daten. Es darf keine Einschränkung / keine Regulierung in der Behandlung von Datenpaketen geben.
Was die Telekom nicht verstanden hat
Der große Aufschrei resultiert nicht allein daher, dass die Flatrates abgeschafft worden sind, sondern dass bestimmte Dienste ungleich behandelt werden. Und dieses beschneidet den Grundsatz der Netzneutralität. Im eigenen Blog lässt die Telekom verlauten:
Die Nutzung von Entertain wird nicht auf das im Tarif enthaltene Volumen angerechnet. „Mit Entertain buchen die Kunden Fernsehen, deshalb werden wir sicherstellen, dass sie nicht plötzlich vor einem schwarzen Bildschirm sitzen“, erläutert Hagspihl. Auch Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss wird nicht angerechnet. Beide Dienste sind im Gegensatz zu Internetdiensten Managed Services, die in einer höheren und gesicherten Qualität produziert und vom Kunden gesondert bezahlt werden. Reguläre Internetdienste werden diskriminierungsfrei nach dem „Best-Effort“-Prinzip behandelt, das bedeutet: so gut es die zur Verfügung stehenden Ressourcen ermöglichen. Das gilt auch für Internetdienste der Telekom.
Wenn man den Text genau liest, wiederspricht sich die Telekom selbst. Auf der einen Seite beschreibt Sie, dass alle Dienste diskriminierungsfrei gleich behandelt werden. Auf der anderen Seite wird beschrieben, dass eigene Dienste wie das Entertain-Paket oder auch die Sprachtelefonie über das Internet nicht auf den maximalen Verbrauch einzahlen.
Im heute geführten Interview zwischen Tobias Armbrüster und dem Telekomsprecher Philipp Blank wurde mir deutlich, dass die Telekom, den kompletten Sachverhalt entweder nicht verstanden oder total falsch eingeschätzt hat. Auf das Statement von Herrn Armbrüster
Ein Vorwurf, der immer wieder im Raum steht in dieser Frage, ist die Netzneutralität, die Sie gefährden mit diesem Schritt. Netzneutralität, um das mal kurz festzulegen, besagt, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden. Niemand bekommt eine Extrabehandlung, nur weil er mehr bezahlt. Sie wollen damit jetzt Schluss machen. Warum?
hat er Herr Blank nur folgendes zu antworten gewusst:
Ich glaube, in dieser Debatte wird Netzneutralität teilweise mit einer quasi Gratis-Internetkultur verwechselt. Die Telekom steht für das freie und offene Internet, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Reguläre Internetdienste werden diskriminierungsfrei behandelt, das gilt für unsere Dienste genauso wie für alle anderen.
Ein kleines Zwischenfazit
Im Klartext heißt das: Ist die Netzneutralität gefährdet? Auf jeden Fall. Dagegen muss etwas unternommen werden. Und: Du streamst Deine Filme lieber von LoveFilm, Maxdome oder von Microsoft anstatt das Entertain-Paket zu nutzen? Schön für Dich. Dann ist die Show nach ein paar Stunden Film- und Serienspaß für Dich leider beendet. Oder: Du bist gerne mit Skype unterwegs? Tja, dann musst Du Deine Nutzung wohl bald umstellen. Oh. Du benutzt die Telekom-Cloud mit 100GB? Oh, das könnte bei einer 16 MBit/s Leitung schwierig werden, diese im Monat befüllen oder gar abrufen zu können.
Was die Beschränkung für den täglichen Alltag bedeutet
Wie viel Daten man in Zukunft nicht mehr im Monat laden kann, wird bei Drossl sehr anschaulich dargestellt. Hier kann jeder für seinen Tarif überprüfen, welches Datenvolumen im Monat wegfallen.
Herr Blank von der Telekom behauptet: „Drei Prozent der Kunden verursachen mehr als 30 Prozent des Datenvolumens.“ Aha, also besteht mein Freundeskreis aus einer bundesweiten Minderheit. Das will ich nicht glauben. Auch die im Blog der Telekom skizzierten durchschnittlichen 15-20 GB Traffic wollen mir nicht einleuchten.
Und was bedeutet das jetzt für den Youtube-Junkie, den Power-Gamer, den Movie-Streamer, den Cloud-Benutzer, den Viel-Skyper, den Musik-Liebhaber? Tja, wenn man keine Lust hat, mehr Geld zu bezahlen, dann wird man wohl sehr schnellt mit seiner Datenleitung in die Steinzeit katapultiert. Ich sehe mich schon das nächste Service-Paket von Microsoft mit 384 Kbit/s downloaden. Wer übrigens wissen will wie lange der Download von 358 MB mit 384 Kbit/s dauert, kann das hier ausrechnen lassen. Und wer wissen will, wie sich surfen mit 384 Kbit/s anfühlt, der kann sich dieses Video hier ansehen.
Aber mal im Ernst: Allein das Beispiel des Gamers ist doch beängstigend. Alles fängt mit dem Download an. Zack. Sind die ersten 25 GB weg. Dann kommen bestimmt wöchentlich, wenn nicht sogar täglich Updates. Und natürlich: Das Spiel tauscht natürlich während des Spielens eine Menge Daten aus. Allein damit könnte man schon ziemlich schnellt an 75 GB kommen. Natürlich lädt man sich parallel aus dem Xbox-Musik-Store noch mal eben 10 neue Alben herunter. Ist ja in der Flatrate alles drin. Und schon ist man am Ende des maximalen Traffics angekommen und fragt sich, warum noch 20 Tage des Monats übrig sind.
Was wir dagegen unternehmen sollten
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die man gehen kann um gegen das Vorgehen der Telekom zu demonstrieren: Schreibt einen Blog, postet euren Unmut auf Facebook und auf Twitter. Aber auch politisch kann man aktiv werden: Beteiligt euch an der Petition von Malt Götz.
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